Das Konzept der Lahn-City-Bahn, die vor allem Marburg, Gießen und Wetzlar und umliegende Gemeinden deutlich besser miteinander verbinden soll, basiert zu über 90% auf bereits existierenden Schienen.

von Reinhard Bayer


Die in Marburg angedachte Seilbahn besticht durch ihre direkte Linie von der Stadt zu den Lahnbergen, mit den regionalen Bahn- und Buslinien am Bahnhof ist sie jedoch nicht verknüpft. Mindestens die Hälfte der auf den Lahnbergen arbeitenden und studierenden Menschen kommt jedoch aus dem Umland Marburgs.

Eine RegioTram ist das Verkehrsmittel, welches ebenso direkt und schnell von der Stadt und vom Bahnhof zu den Lahnbergen führt und noch optimaler die Verbindung in die Region herstellen kann! Eine RegioTram fährt sowohl auf DB-Gleisen als auch abseits davon als Stadt- oder Straßenbahn. Kassel, Karlsruhe und viele andere Städte in Deutschland und Europa haben es längst vorgemacht.

In Marburg und in Gießen sind die Universitätskliniken UKGM die größten Arbeitgeber. Beide haben zusammen insgesamt 9.600 Arbeitsplätze, also über 4000 an jedem Standort, rund ebenso viele Studierende und über 1000 Tagespatienten. Am Marburger Standort auf den Lahnbergen sind zudem weitere große Fakultäten wie Natur- und Geowissenschaften angesiedelt, so dass die Zahl von 10.000 Personen, die täglich auf die Lahnberge fahren, sicher zu niedrig gegriffen ist. Für die Marburger Lahnberge sind somit bei 20 Prozent ÖPNV-Anteil mindestens 2000 Fahrgäste je Richtung, also 4000 als tägliches Potential anzunehmen.

Der entscheidende Vorteil der RegioTram ist die durchgehende Verknüpfung mit dem Bahnnetz und den Busnetzen der Region. Von allen 8 Bahnlinien (siehe Box), die Gießen und Marburg bedienen, sind dann die beiden Klinikstandorte mit nur einem einzigen Umstieg in den jeweiligen Hauptbahnhöfen zu erreichen. Das Gleiche gilt für fast alle Regional- und Stadtbuslinien in Marburg und Gießen.

Strecken:

• Siegen – Wetzlar – Gießen

• Limburg – Wetzlar – Gießen

• Frankfurt/Hanau – Friedberg – Gießen – Marburg

• Gelnhausen – Gießen

• Alsfeld – Gießen

• Schwalmstadt – Marburg – Gießen

• Korbach – Frankenberg – Marburg

• Biedenkopf – Marburg

Lahn-City-Bahn im Raum Marburg

Regio-Trams können wie Straßenbahnen bis zu 10 Prozent Steigung im Reibungsbetrieb befahren und sie können 25-Meter-Radien durchfahren. Somit sollte in Marburg die kürzestmögliche Trasse von der Main-Weser-Bahn zu den Lahnbergen ausgewählt werden, die auch den Marburger Hbf. anbindet:

Auf den DB-Gleisen von Süden/Gießen kommend, kann die Regio-Tram ab der Überführung der Rudolf-Bultmann-Str. an den Ostrand des Bahngeländes geführt werden und auf einer Rampe ansteigen bis auf die Geländehöhe des Ortenbergsteges, wo auch die Haltestelle Hbf. angelegt wird. Gleiches gilt aus Richtung Norden/Cölbe ab der Überführung Neue Kasseler Straße / Panoramastraße.

Ab Marburg-Ortenbergsteg sind vier Varianten denkbar

Variante 1: Durchgehende Befahrung der Dürerstraße und weiter folgend der Forststraße, Umfahrung des Heizwerkes, dann führt sie nach Süden zu den vier Haltestellen Uni-Klinik, Chemie, Biologie und zur Endhaltestelle Vorklinik/ Bot. Garten. In der Dürerstraße bestehen jedoch zwei bauliche Engstellen.

Entfernung 3200 m vom Hbf. bis Klinik, Fahrzeit gemittelt bei 30 km/h ca. 6 Min, bei 40 km/h ca. 5 Min.

Der Höhenunterschied Ortenbergsteg–Lahnberge beträgt rund 180 Meter, was bei ca. 3 km Strecke eine durchschnittliche Steigung von 6 Prozent ergibt. Dies entspricht der Steigung der Höllentalbahn bei Freiburg zwischen Hirschsprung und Hinterzarten.

Variante 2: Ab Ortenbergsteg führt sie in einem Rechtsbogen über den Nordrand des Sportplatzes in die Schützenstraße und folgt dieser bis zum Ortenbergplatz. Hier entsteht die Haltestelle Psych. Klinik / Zahnklinik.

Weiter in einem Linksbogen durch die Hans-Sachs-Straße in die Dürerstr. nach Osten. Hierdurch würden die Psych. Klinik und die Zahnklinik angebunden. Weiter wie die Variante 1.

Variante 2a: Ab Ortenbergplatz führt die Trasse eventuell mit kurzem Tunnelabschnitt nach Osten in den Wald und folgt den ansteigenden Höhenlinien nach Norden und Osten entlang dem Taleinschnitt bis zum Uni-Heizwerk (erhöhter Eingriff in den Waldbestand). Weiter wie die Variante 1.

Variante 3: Die Trasse bleibt auf Bahn-Niveau und wird unter dem Ortenberg in einen Tunnel geführt, der am östlichen Ende der Dürerstr. aus der Erde tritt. Dann weiter wie die Variante 1.

Neben den Nachteilen, dass weder Psych. Klinik, Zahnklinik noch Labor anbindbar sind, wird die Tunnelstrecke von rund 750 m höchstwahrscheinlich nicht finanzierbar sein.

Sechs Linien sind aus dem Marburger Umland möglich

Sollten die vom Landkreis Marburg-Biedenkopf betriebenen Untersuchungen der Bahnstrecke Hartenrod–Niederwalgern–Marburg zur Wiederinbetriebnahme des Bahnverkehrs führen, dann können auch diese Bahnen – sollten Regio-Trams zum Einsatz kommen – direkt bis zu den Lahnbergen durchfahren.

Bei Umstellung weiterer Strecken im Marburger Umland auf RegioTram-Betrieb – von Biedenkopf, Frankenberg, Homberg (Ohm) – ergeben diese mit den Strecken aus der Marburger Innenstadt, Hartenrod und Gießen insgesamt sechs Linien. Würde jede im Stundentakt verkehren, ergäbe sich ein 10-Min.Takt, würde jede im 30-Min.-Takt betrieben, ergäbe sich folglich ein 5-Min.-Takt zwischen Hauptbahnhof und den Lahnbergen.

Verbindungsmöglichkeit zur Marburger Innenstadt

In Marburg kann ca. 1 km südlich des Hbf. eine Ausfädelung / Abzweigung in die Innenstadt entstehen, z. B. via Erlenring-Brücke, Universitätsstraße zum Schulzentrum Süd.

Lahn-City-Bahn im Raum Gießen

Klinik-Bahntrasse in Gießen

In Gießen gelingt die Anbindung der Klinikspforte bei Ausfädelung aus dem westlichsten Gleis des Hauptbahnhofes (Gleis 5 oder 6/7/8) über die Straßen Margarethenhütte, Kliniksbrücke und Klinikstraße bis zum Haupteingang des Uni-Klinikums an der Einmündung der Gaffkystraße. Eine weitere Haltestelle ist im Kreuzungsbereich mit der Frankfurter Straße vorzusehen. (Umstieg zu den Buslinien 1, 10, 11, 378, 379.)

Linien aus dem Gießener Umland

Von Norden kann die RegioTram aus Marburg und die zur Reaktivierung anstehende Lumdatalbahn die Klinik als Endpunkt anfahren. Die Lumdatalbahn könnte zusätzlich von Lollar über die ehemalige Bahnstrecke Wettenberg–Wißmar / Launsbach verkehren und ab da durch die Gießener Weststadt über den Bahnhof Gießen-Oswaldsgarten zum Hauptbahnhof und weiter wie oben zur Gießener Klinik fahren.

Vogelsbergbahn – Solmbachtalbahn

Trotz des dichten Fahrplans auf der Vogelsbergbahn in den Hauptverkehrszeiten sind die Züge zwischen Grünberg und Gießen und vor allem die eingleisige Strecke häufig überlastet, was zu deutlichen Verspätungen mit verpassten Anschlüssen führt.


Daher sind weitere Bahnhöfe mit Kreuzungsmöglichkeiten (wieder-)herzustellen sowie mehrere zweigleisige Abschnitte zu prüfen. Zudem bietet es sich an, das Fahrplankonzept im Abschnitt Mücke–Gießen zu überdenken. Ergänzend zu den schnelleren Regionalzügen Fulda–Gießen kann eine RegioTram von (Neuhaus–)Mücke–Gießen alle kleineren Stationen bedienen, auch die neu geplanten Reiskirchen-Lindenstruth, Buseck-Gewerbegebiet, Gießen-Rödgen, Gießen-Alter Flughafen, Gießen-Marshall-Siedlung. Ab der Rödgener Straße oder ab der Licher Straße soll die RegioTram als Straßenbahn in die Gießener Innenstadt mindestens bis zum Berliner Platz fahren.

Eine Weiterführung über Oswaldsgarten, Rodheimer Str., Schunk, ehem. Bf. Heuchelheim-Kinzenbach und weiter der ehemaligen Bahnstrecke folgend über Lahnau, Wetzlar, Albshausen, Solmsbachtal bis Brandoberndorf zur bestehenden Taunusbahn erscheint heute als Zukunftsvision.

Jedoch ist es dringend angeraten, die beschriebenen Trassen zur Zukunftssicherung freizuhalten und nicht zu überbauen, da für den Raum Gießen-Wetzlar stetiger Bevölkerungszuwachs prognostiziert wird.

Streckennetz bestehend – neu

Für das Lahn-City-Bahn-Netz sind nur wenige Strecken neu anzulegen, über 90 Prozent des Netzes sind bestehende Strecken bzw. Trassen.

Die Bahnstrecke Gießen – Butzbach ist nicht in die Betrachtungen einbezogen, da durch den viergleisigen Ausbau zwischen Frankfurt und Friedberg größere Änderungen im Betriebsablauf zu erwarten sind, die derzeit nicht präzise genug vorhersehbar sind.

Resümee

Insgesamt wird so ein zusammenhängendes Bahnnetz aus RegioTrams und Zügen um die Städte Wetzlar, Marburg und Gießen entstehen, das der wachsenden umweltfreundlichen Mobilität in der prosperierenden mittelhessischen Region zukunftsfähig und angemessen ist.

Zur Person:
Reinhard Bayer (*1951 Freiburg i. Br.), M. A. Soziologie/Politikwissenschaft – RTWH Aachen, war in Aachen Fraktionsassistent der Grünen im Rat, leitete deren ÖPNV-AG, lebt seit 1990 in Gießen und war bis 2010 Verkehrskoordinator in der Stadtverwaltung. Mitglied der Grünen und der Gewerkschaft ver.di.

• Weitere Veröffentlichung in: STADT, LAHN, AUTOWAHN zum Thema Marburg und die B3a, Hrsg. Winfried Wolf ISBN 978-3-00-052275-8 Titel: Netzwerk ÖPNV – ja gerne, aber wie?

Disclaimer: Dieser Text erschien zuerst in der Publikation “Verkehrswende in Mittelhessen: Ziele, Materialien & Vorschläge”, Hrsg. Kreistagsfraktion Gießener Linke. Mit freundlicher Genehmigung.

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